Wahltanz im März, ohne Scherz
Liebe LeserInnen!
In den noch immer Coronabedingten Niederlanden sind die Parlamentswahlen festgeschrieben für just diesen Monat März. Ursprünglich nur für Mittwoch, den 17. März, aber dieses Mal ausnahmsweise auch schon an den beiden vorangehenden Tagen, damit die WählerInnen sich sicher genug fühlen, an der vierjährlichen Parlamentswahl Teil zu nehmen. Ausserdem können Senioren ab 70 Jahren auch schriftlich, also über den Postweg, an der Wahl teilnehmen.
Diese Wahl ist für die Moderne einzigartig, denn noch nie gab es irgendeine Wahl in unserem Lande während einer Pandemie dieses Ausmasses, mit Lockdown und Sperrstunde ab 21.00 Uhr bis 05.30 morgens. Alle Coronaregeln gelten nach wie vor und das heisst für die Politik: keine Grossversammungen, keine persönlichen Begegnungen mit Wählerinnen und Wählern, keine parteipolitischen Events. Alles spielt sich in den digitalen Medien ab, oder – fast schon klassisch – über die Zeitungen und Zeitschriften, und in Rundfunk und Fernsehen.
Politische Demoskopie stand wohl noch nie der Zauberkunst so nah wie momentan, oder wie schon der griechische Philosoph Heraklit formuliert haben soll: Panta rhei! Alles fliesst/strömt, alles ist in Bewegung. Traditionelle StammwählerInnen gibt es immer weniger, Parteiprogramme haben nur noch den Wert einer Tagesnachricht, Religion und Ideologie sind entweder museal geworden oder haben sich entwickelt wie kulturelle Trends. Da sind Marktforscher und Politpersönlichkeiten noch gefragter als sonst!
Der seit zehn Jahren amtierende Ministerpräsident Mark Rutte hat offensichtlich den Vorteil des erprobten Politmanagers und des Krisenmanagers in pandemischer Zeit. Aber, zehn Jahre Regierungspraxis hinterlässt auch Spuren. Spuren, die man verwischen möchte. Leider für ihn, aber auch für andere Regierungsmitglieder stehen einige brisante Politaffären schon seit Wochen in den Fokus. Die politische Konkurrenz benutzt dies alles natürlich, um seinem Image zu schaden. Die Coronakrise hat Versäumnisse der vergangenen Jahren offengelegt und deshalb träumen viele Parteien – eher ganz ungewohnt – von einer Zukunft für die niederländische Gesellschaft wie im Schlaraffenland. Geld spielt sowieso (wie zB auch in Deutschland) fast keine Rolle, das Geld kostet ja nichts, im Gegenteil, unser Staat kann sich viele Millarden leihen und bekommt noch Geld dazu. Na dann?
Noch ungewisser ist der Ausgang dieser Parlamentswahl wegen der Rekordteilnahme von 37 Parteien! Die Weimarer Republik war, von der Parteienlandschaft her gesehen, ein Hort der Stabilität im Vergleich zu diesem überfüllten Politjahrmarkt. Sie werden verstehen, dass ich, nach diesen Ausführungen, keine Prognose wage.
Wie sagte mal ein weiser Mensch (w/m?): vorhersagen ist schwer, vor allem wenn es die Zukunft betrifft.
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