Der Stacheldraht
Der Stacheldraht spielte nochmals seine blutige Melodie,
seine Erinnerung hatte mit dem wetterbedingten Rost,
der alles Drahtige überdeckte, nicht gelitten.
In seinen Ohren widerhallten die Schreie,
die Ängste, die Hetzerei der Peiniger und das Tropfen
vom Blut der Verwundeten und Gefallenen.
Die Augen, die Blicke, die schwindenden Hoffnungen,
abgelöst – ohne Trompetenschall – von ihrer Verzweiflung.
Niemand hielt zum Abschied ihre Hand
oder schenkte ihnen einen letzten Blick.
Keine Zeit, für keinen, weil die eigene Zeit
zufälligerweise auch schon ablief.
Dieser Stacheldraht tat, was er immer und überall
stumm und gehorsam tat, ihm traf keine Schuld.
Wer hatte just hier diesen Stacheldraht errichtet,
wer hatte ihn in Auftrag gegeben,
wer fand die Notwendigkeit einleuchtend und normal?
Stacheldraht ist von sich aus ja nur ein Vorhang aus Stahl,
gestachelt, drahtig, was sonst?
Wer steht im Hintergrund,
so zu sagen als Drahtzieher?
Das Blut am Stacheldraht
wird noch lange Zeit Zeugnis ablegen
von den Vorkommnissen, vor vielen Jahren,
als braune und rote Uniformen
ganz große Mode wurden,
ohne die Opfer je zu fragen.
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